Don Carlos

Giuseppe Verdi

Don Carlos

Giuseppe Verdi

Opéra en cinq actes, livret de Joseph Méry et Camille du Locle d’après la pièce de Friedrich von Schiller, créé à l’Opéra de Paris, le 11 mars 1867.

Nouvelle production du Théâtre de Bâle de la version française en 5 actes

Durée 4 heures avec deux entractes

Théâtre de Bâle, 13, 17, 22 février, 18, 24, 30 avril, 4, 13, 15, 21 et 22 mai 2022

 

Création

Direction musicale : Michele Spotti
Mise en scène : Vincent Huguet
Décors: Richard Peduzzi
Costumes : Camille Assaf
Lumières : Irene Selka
Dramaturgie : Roman Reeger

Chef de chœur : Michael Clark
Assistante à la mise en scène : Caterina Cianfarini
Assistant chef d’orchestre : Thomas Wise
Études musicales: Hélio Vida
Chefs de chant : Iryna Krasnovska, Leonid Maximov, Hélio Vida
Assistante à la scénographie : Romy Rexheuser
Assistantes aux costumes : Karoline Gundermann, Miriam Stöcklin

Distribution

Don Carlos : Joachim Bäckström
Elisabeth de Valois: Yolanda Auyanet/ Leah Gordon
Philippe II : Nathan Berg
Rodrigue, marquis de Posa : John Chest
Princesse Eboli : Kristina Stanek/ Jordanka Milkova
Le grand inquisiteur: Vazgen Gazarian / Derrick Ballard
La comtesse d’Aremberg/Thibault : Nataliia Kulhar
Un moine: Andrew Murphy
Le comte de Lerme: Ronan Caillet / Christopher Sokolowski
Voix du ciel: Álfheiður Erla Guðmundsdóttir / Inna Fedorii
Députés flamands: Jasin Rammal-Rykała, Kyu Choi, Félix Le-Gloahec, Andrei Maksimov, Yurii Strakhov, Jiacheng Tan

Chœur et supplémentaires du Théâtre de Bâle

Sinfonieorchester Basel

Photos Matthias Baus

À propos de la mise en scène:
conversation entre Roman Reeger et Vincent Huguet

«Unerfülltes Begehren ist immer interessant»

 

Roman Reeger: Du inszenierst zum ersten Mal ein Werk von Giuseppe Verdi. ‹Don Carlos› gilt Vielen als Verdis beste Oper. Wie erlebst du die Arbeit?

Vincent Huguet: Das Besondere an ‹Don Carlos› ist, dass es neben einer grossen Musik auch ein sehr gutes Libretto gibt. Das ist nicht bei allen Verdi-Opern so, wenn man sich zum Beispiel ‹Il trovatore› anschaut. Ich liebe diese Oper, aber der Text ist problematisch. Im Gegensatz zu seinen anderen Dramenadaptionen, hat sich Verdi sehr eng an Friedrich Schillers Vorlage orientiert. Gegen Ende der
Proben habe ich jetzt wieder in Schillers Drama gelesen, was mir beim Inszenieren sehr hilft, da ich viele Hinweise für die Geschichte finde.

RR: Gleichzeitig handelt es sich um ein komplexes und mit einer Dauer von über vier Stunden langes Werk …

VH: Trotz der Lange ist die Handlung sehr fokussiert auf verhältnismässig wenige Charaktere. ‹Don Carlos› ist zu einem bedeutenden Teil eine Familien-Tragödie. Wie bei einer Serie vollziehen sich die spannenden Entwicklungen der Figuren über einen längeren Zeitraum. So bekommt man deren unterschiedliche Seiten zu sehen. Gleichzeitig gibt es kaum Stereotype in dieser Oper. Carlos ist zunächst ein Anti-Held, der sich aber zum Helden entwickelt. Auch Philippe II. hat sehr unterschiedliche Charakterzüge.

RR: Was ist das für eine Welt, in der Verdis Drama spielt?

VH: Es ist eine archaische, fast antike Welt, die von Ordnung, Tradition und politischem Konservatismus geprägt ist. Philippes Herrschaft funktioniert über das Erzeugen einer Atmosphäre der Angst. Wir wollten dieses Prinzip in der Architektur des Bühnenraums zeigen. In dieser furchteinflössenden Umgebung gibt es aber auch eine Form von innerer Freiheit, einen fast kindlich-naiven Glauben, der eine imaginierte Gegenwelt erzeugt, die vor allem in Carlos Musik zu hören ist.
Es gibt somit zwei Welten, die sich gegeneinander richten. Es ist ein Kampf auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Die von Verdi erfundene Geistererscheinung Karls V. bringt diesen Konflikt auf den Punkt.

RR: Du hast ‹Don Carlos› als Familien-Tragödie bezeichnet. Gleichzeitig handelt es sich um ein politisches Freiheitsdrama…

VH: Die private Familiengeschichte ist sehr eng mit politischen Vorgängen verstrickt. Die Heirat Philippes und Elisabeths begründet den Frieden zwischen Spanien und Frankreich. Das führt dazu, dass sich Elisabeth zwischen privatem Gluck und öffentlichem Wohl entscheiden muss. An diesem Punkt markiert die Oper das im 19. Jahrhundert zentrale Spannungsverhältnis zwischen dem Subjekt
und der Gesellschaft. Im Kern geht es um die Frage der Opferbereitschaft: Wofür wäre ich bereit, meine Liebe oder mein Leben zu opfern.

RR: Carlos trifft eine andere Entscheidung …

VH: Ja, er fühlt sich nicht verantwortlich für die Probleme der Gesellschaft. Es gelingt ihm nicht, seine Liebe zu Elisabeth aufzugeben. An einem Punkt der Oper verweigert Carlos gegenuber Philippe, die Krone zu tragen. Der historische Philipp II. hat übrigens gleich zwei Mal Frauen geheiratet, die eigentlich seinem Sohn versprochen waren. Im Vergleich zu Carlos und Elisabeth ist Rodrigue, der
Marquis von Posa, ein ganz anderer Charakter. Er ist der träumende Revolutionär, der für eine bessere Welt kämpft.

RR: Es gibt die Vermutung, dass es auch zwischen Carlos und Rodrigue ein Liebesverhältnis gibt…

VH: Die Oper handelt von bedingungsloser Liebe. Das gilt auch für die Beziehung von Carlos und Rodrigue, was man deutlich in der Musik hört. Es ist aber eine andere Form, als die von Begehren und Obsessionen geprägte Liebe zwischen Elisabeth und Carlos. Vielleicht liegt die Erkenntnis nahe, dass es sich um eine homoerotische Liebe zwischen Carlos und Rodrigue handeln konnte, die jedoch
nicht explizit ausgesprochen wird. Ich finde so ein unerfülltes Begehren auf der Bühne immer sehr interessant, weil es viel mit Idealisierung zu tun hat.

RR: Das Verhältnis von Carlos und Rodrigue gehört zu den zahlreichen Andeutungen, die jedoch im Text und der Partitur nicht endgültig beantwortet werden. Auch der Schluss ist so offen gestaltet, wie in kaum einer anderen Oper Verdis. Wie bist du damit umgegangen?

VH: Wenn man alle Andeutungen haargenau szenisch ausformuliert, wurde man ihnen die Wirkung rauben. Es ist sehr wichtig, dass bestimmte Interpretationsstränge offenbleiben. Das Ende des V. Aktes ist eigentlich eine bizarre Situation. Nirgendwo steht, dass Elisabeth und Carlos am Ende getötet werden. Es ist spannend sich auszumalen, wie sie nach dem Ende der Oper weiterleben werden. In unserer Inszenierung hat Elisabeth ein Kind, es bleibt jedoch offen, ob es das Kind von Philippe oder von Carlos ist.

RR: Prinzessin Eboli ist eine Schlüsselfigur in der Oper. Wie entwickelt sich ihre Geschichte?

VH: In der Oper bleibt offen, wie ihre Geschichte endet. Ebolis Entwicklung ist für mich sehr wichtig. Sie hat sowohl eine interessante Verbindung zu Philippe als auch zu Elisabeth. Auch sie bringt ein Opfer, in diesem Fall für Carlos. Gleichzeitig ist sie eine sehr ehrliche Figur. Es ist sehr eindrucksvoll, wie sie Elisabeth von ihrer Affäre mit Philippe berichtet. In der Arie ≪O don fatal≫ verflucht sie ihre Schönheit. Allerdings wird deutlich, dass es sich nicht um ein Lamento handelt, sondern um ein Entscheidungsmoment.

RR: Das Verhältnis von Sohn zum Vater hebst du sehr hervor. Wie siehst du Philippe?

VH: Eines der ersten Bilder, das ich für diese Oper im Kopf hatte, war ein Gemälde von Goya: ≪Saturn verschlingt seinen Sohn≫. Philippe ist besessen davon, den natürlichen Lauf der Dinge zu verweigern. Es ist für ihn weder vorstellbar, eines Tages nicht mehr König zu sein noch, dass Carlos ihn beerben wird. Dieses Denken hat etwas Selbstzerstörerisches, da eine Dynastie eigentlich grundsätzlich den Zweck verfolgt, das Überleben zu sichern.

RR: Welche Rolle spielt die Religion in diesem Zusammenhang?

VH: Ich glaube, dass die Frage nach Gott in diesem Stück elementar ist. Wenn Philippe davon ausgeht, dass nach ihm nichts mehr kommt, entspricht das einer nihilistischen Weltsicht. ‹Don Carlos› ist vielleicht die am meisten religionskritische Oper Verdis. Das zeigt das berühmte Autodafé, welches die Grauel einer fanatischen Religion auf den Punkt bringt. Die düstere und angsteinflössende Musik des Grossinquisitors hat wenig mit der hoffnungsvollen geistlichen Musik in Verdis Requiem zu tun. Auch die Szene zwischen dem Grossinquisitor und Philippe zeugt von einer besonderen Spannung. Philippe fragt, ob Gott ihm vergeben werde, wenn er seinen Sohn töten lässt. Der Inquisitor bejaht diese Frage. Es ist das Gespräch zweier Atheisten.

RR: Das Bühnenbild stammt von dem legendären Richard Peduzzi. Wie habt ihr
zusammengearbeitet?

VH: Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Richard war Bühnenbildner von Patrice Chereau, bei dessen letzten Arbeiten ich Assistent war, und hat auch mit Luc Bondy gearbeitet. Es war eine sehr besondere Zeit. Nach Patrices Tod hat Richard für meine Inszenierung einer Oper von Xavier Dayer ein fantastisches Bühnenbild entworfen. Danach haben sich unsere Wege für ein paar Jahre getrennt. Es ist grossartig, für diese Arbeit wieder zusammenzukommen. Wir haben lange überlegt und Ideen ausgetauscht. Anfangs haben wir uns von den Gefängnissen und Psychiatrien Goyas inspirieren lassen. Richards architektonischer Stil ist einfach einzigartig und passt sehr gut zu einer Oper wie
‹Don Carlos›.